Weshalb der Mittelstand bei der SP besser aufgehoben ist

Weshalb der Mittelstand bei der SP besser aufgehoben ist als bei den Bürgerlichen. Teil II

«Die Stärke der Analyse der Linken liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern.» Dies sagte nicht ein linker Theoretiker, sondern der erzkonservative Charles Moore.

Ähnliches resümiert Franz Steinegger, ehemaliger FDP-Präsident in einem Artikel des Magazins: «Wir haben immer mehr Leute in der Fraktion, die in erster Linie Interessenvertreter sind und erst in zweiter Linie Politiker, Leute ohne politische Haltung.» Und weiter: «Heute will die FDP in erster Linie wirtschaftliche Einzelinteressen durchsetzen. So wird aus einem Politiker ein reiner Lobbyist. Wer aber nur noch für einen kleinen elitären Kreis politisiert, … der wird zur Sekte, die nicht mehr beachtet werden muss.» Im Zuge der Finanzkrise sei die FDP als Verbündete extremer Finanzpositionen wahrgenommen worden, als Verbündete eines Extremliberalismus. «Dieser Liberalismus hat 2008 zum Fiasko geführt und zum Scheitern des Kapitalismus», so der ehemalige FDP-Präsident.

 

 

Tragisch an diesen Aussagen ist, dass sie stimmen. Die bürgerliche Anti-Staat und Anti-Regulierungsrhetorik dient einzig dazu, die Privilegien der Privilegierten zu sichern und auszubauen. Am heftigsten bekommen dies in der Schweiz die mittleren Einkommen zu spüren.

 

 

In den letzten Jahren wurde nur ein Teil des Produktivitätsfortschritts als Lohnerhöhung weitergegeben. Vor allem sehen sich gerade Fachkräfte und Angestellte mit einer neuen, elektronischen Arbeitswelt konfrontiert, die per E-Mail und Mobiltelefon fast permanente Einsatzbereitschaft verlangt. Dieser eingeforderte Zusatzeffort wird aber nicht abgegolten, sondern geht vielmehr mit einer wachsenden Job-Unsicherheit einher.

 

 

Gleichzeitig sind die Reallöhne bei den mittleren Einkommensgruppen gesunken, da in vielen Lohnrunden die Teuerung nicht vollständig an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weitergegeben wurde. Während das Bruttoinlandprodukt in den Hochkonjunkturjahren zwischen 2004 und 2008 um 14.1 Prozent wuchs, stiegen im gleichen Zeitraum die Reallöhne gemäss Lohnindex um mickrige 0.5 Prozent und die Löhne im Rahmen gesamtvertraglicher Abschlüsse um magere 1.1 Prozent.

 

 

Die Schere öffnet sich weiter

Der aktuelle Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes zeigt es: Je höher der Lohn, desto höher der Kaufkraftzuwachs. Der Bericht hält nicht nur fest, dass sich die Lohnschere gemäss unterschiedlicher Datengrundlagen und Studien zwischen 1997 und 2008 geöffnet hat, sondern auch, dass diese Ungleichheit durch politisch beeinflusste Abgaben wie Sozialversicherungsbeiträge, Steuern und Krankenkassenprämien sogar noch verstärkt wird. Das Bruttoeinkommen der obersten 10 Prozent war 2008 4.76 mal höher als das der untersten 10 Prozent, beim verfügbaren Einkommen (also nach Abzügen) betrug der Faktor 5.19.

 

 

Während einkommensschwache Haushalte zwischen 1997 und 2008 unter Erhöhungen von indirekten Steuern (z.B. MWST) und Gebühren leiden, profitierten die einkommensstarken von der Senkung direkter Steuern (z.B. Einkommenssteuern Bund und Kantone) und Sozialversicherungsabgaben. Die stetige Zunahme der Krankenkassenprämien trifft ebenfalls hauptsächlich die mittleren Einkommensklassen, da sie als Kopfprämien ausgestaltet sind. Ebenso machen die Mieten bei tieferen Einkommen einen grösseren Anteil am Haushaltsbudget aus als bei höheren Einkommen, so dass die Mietsteigerungen der vergangenen Jahre vor allem einkommensschwache Haushalte treffen.*

 

 

Die weltweite Ernüchterung über die wahren Absichten der national-konservativen Schalmeienklänge und die handfesten Zahlen zeigen gleichermassen: Wer nicht die Worte als Massstab nimmt, sondern das, was den Menschen tatsächlich im Portemonnaie bleibt, erkennt: Der Mittelstand ist bei der SP besser aufgehoben ist als bei den Bürgerlichen.

 
* SGB-Verteilungsbericht, Schweizerischer Gewerkschaftsbund, April 2011, Seite 12-23.